Das im Entschwinden Erfasste
Wolf Kahlen. VideoTapes 1969–2010
Doppelausstellung im Museum Folkwang vom 5.6. – 1.8. 2010
Das Museum Folkwang zeigte vom 5. 6. bis 1. 8. 2010 meine Ausstellungen zur zeitgenössischen Videokunst. Es waren die ersten Präsentationen in den Dank der Unterstützung des Folkwang- Museumsvereins und der Wolff-Gruppe umgebauten Ausstellungsräumen im Untergeschoss des denkmalgeschützten Altbaus. Zu dem Zeitpunkt boten ein sehr spiegelnder Fußbodenbelag, das Fehlen von Steckdosen und eine schwierige Akustik die besondere Herausforderung bei der Konzeption.
Die Auswahl der Werke der Ausstellung „Das im Entschwinden Erfasste“ ging auf die Anfänge der Videokunst in der Sammlung zurück. Zu Beginn der 1970er Jahre wurde unter Leitung des damaligen Direktors Paul Vogt ein Videostudio im Museum Folkwang eingerichtet, in dem junge Künstler direkt produzieren konnten. Seit den 1970er Jahren fanden regelmäßig Videoausstellungen und -festivals statt. Neben den zwei Ausstellungen stellten regelmäßige, thematische Screenings unter dem Titel „Video Folkwang“ junge Videoproduktionen vor.
In der Ausstellung wurden mehrere Arbeiten gezeigt, die im Videostudio Folkwang produziert wurden, so von Ulrike Rosenbach „Frauenkultur – Kontaktversuch“ von 1977. Erstmals seit 1981 war die Installation „100 Intellektuelle beten einen Öltank an“ von Marcel Odenbach zu sehen, die damals entstand. Neben Klassikern der Videokunst (Nam June Paik, Klaus vom Bruch und Jean-Francois Guiton) werden Neuerwerbungen von wie Darren Almond, Deimantas Narkevicius, Kimsooja, Michal Rovner, Jana Sterbak und Gästen wie Romeo Grünfelder, Erik Lanz oder Patrick Borchers vorgestellt. Der poetische Titel benennt die verschiedenen Facetten des Mediums, dessen Bilder zeitlich und flüchtig sind. Das Moment des „Entschwindens“ ist zugleich Metapher und Leitmotiv der Videoarbeiten.
Seit 2009 wurde der Sammlungsbestand Video des Museum Folkwang systematisch aufgearbeitet und wissenschaftlich erforscht, digitalisiert und restauriert. Er umfasste annähernd 300 U-matic Bänder und andere Trägermaterialien.
Wolf Kahlen gehört zu den Pionieren der Videokunst. Mit dieser Ausstellung, die in Berlin, Essen, Karlsruhe und Warschau gastierte, wurde der 1940 in Aachen geborene Künstler erstmals umfassend präsentiert. Bereits 1969 entstand Kahlens erste Fernsehskulptur, sein konzeptuelles Frühwerk aus den 70er Jahren thematisiert ein grenzüberschreitendes Medienverständnis. In vielen Werken bearbeitet Kahlen direkt das Fernsehgerät und schafft „bandlose“, häufig materiell fragile Skulpturen. In den 80er Jahren reiste Kahlen mehrfach in den Himalaya und nach Ostasien, wo vor allem in Tibet und der Mongolei zahlreiche dokumentarische Filme entstanden sind. Diese sind heute nicht nur von künstlerischem, sondern ebenso hohem ethnologischen Wert. 1985 gründete der Medienbildhauer die Ruine der Künste in Berlin, 2005 das eigene Künstlermuseum Wolf Kahlen Museum – Intermedia Arts Museum in Bernau bei Berlin.
Die Retrospektive des in Berlin ansässigen Videokünstlers war als zweiteilige „Einraum-Ausstellung“ konzipiert, in der das gesamte Werk als „video on demand“ abrufbar war. In einem Raum erlebte der Betrachter das Werk über großformatige Projektionen, zusätzlich kann er via Computer das eigene Sichtungsverhalten steuern. Neben den Videofilmen wurden drei bedeutende Videoskulpturen des Berliner Künstlers vorgestellt, die eine Schnittstelle zur parallel verlaufenden Ausstellung „Das im Entschwinden Erfasste“ bildeten. Die Arbeit S.C.H.A.F.E. für sechs Monitore aus dem Jahre 1975 wurde im Rahmen der Ausstellung „Record > Again. 40jahrevideokunst.de – Teil 2“ restauriert und digitalisiert. Sie wurde 1976 zum letzten Mal offentlich aufgeführt. Die Videoskulptur „Platon’s Höhle“aus dem Jahr 1999 besteht aus vier Monitoren, die aus unterschiedlichen Jahrzehnten stammen und ineinander verschachtelt sind. Nicht identifizierbare, bewegte Schatten fliehen über die Glasscheiben und werfen einen halbkreisförmigen Lichtbogen. „Chörten Digital“ ist eine Videoskulptur über den buddhistischen Ritus des Umkreisens tibetischer Tempel.
Zur Ausstellung lag die umfangreiche Publikation „Wolf Kahlen. VideoTapes 1969 – 2010“ vor, hrsg. von Wolf Kahlen unter Mitwirkung zahlreicher Autoren.
Ebenso ein Kurzführer zu beiden Ausstellungen mit Texten der Kuratorin.
Fotos der Ausstellungsdokumentation, copyright: Achim Kukulies, Düsseldorf